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SİYER  •   35. Ünite: Batı ve İslam


                          ISLAM-LEXIKON




                                    Der Prophet


                           Muhammed (s) und               Romantischer Blick auf
                                  die Diplomatie
                      Unser Prophet machte in Mekka früh die  den Orient
                   Erfahrung, dass die Polytheisten ihn bei den  Seit der Zeit der Aufklärung (1650 – 1800) verlor
                  umliegenden Dörfern und Stämmen ja sogar  die Kirche ihren Einfluss in der Gesellschaft,
                   bei den Stämmen, die zum Besuch der Kaa-  während europäische Wissenschaftler
                   ba nach Mekka kamen, anschwärzten. Nach  immer mehr einen besseren Zugang zu
                     dem Abkommen von Hudaybiye im Jahre  den Originalquellen des Orients erlangten.
                    628 schickte er Briefe an die Herrscher und  Die neuen Übersetzungen durch säkulare
                     Oberhäupter der umliegenden Städte und  Wissenschaftler enthüllten ein neues Gesicht
                   Stämme. Der wichtigste unter ihnen war der  des Orients. Insbesondere deutsche Dichter
                     Brief an Herakleios (575 - 641), den Kaiser  und Denker im 19. Jh. entdeckten den Orient
                  des Byzantinischen Reiches. Darin lud er He-  und seine Dichtung, aber auch den Koran neu.
                   rakles zu der Religion des Einheitsglaubens  Die Koranübersetzung von Friedrich Rückert
                     ein. Auch der persische Herrscher bekam  (1788-1866) löste ein erhöhtes Interesse an den
                    einen Brief mit demselben Inhalt. Während  Schriften des Orients aus. Johann Wolfgang
                   Herakleios den Boten und den Brief respekt-  von Goethe (1749- 1832) verfasste seinen
                      voll behandelte, beleidigte der persische  Gedichtband „West-Östlicher Diwan“, in dem er
                  König Khosraw II. den Boten und zerriss den  sich mit Themen des Korans und orientalischer
                    Brief. Bei der Auswahl der Empfänger fällt  Dichtung befasste. Dieses Interesse am
                  auf, dass der Prophet die Menschen an wich-  Orient verbreitete sich aber nur in kleineren
                       tigen strategischen Punkten anschrieb.  intellektuell gehobenen Kreisen.

                Der unbekannte Nachbar:  Deutsche Dichter und

                       Islam und Muhammed      der Islam
                    Schon zur Zeit des Kalifen Umar (633 - 644)  Der Islam wurde schon sehr früh Gegen-
                    wurde das Gebiet des islamischen Staates  stand der deutschen Dichtung. Schon Walter
                      in alle Richtungen ausgedehnt. Eines der  von der Vogelweide (1170 - 1230) verwende-
                   wichtigsten Nachbarländer war das Byzanti-  te den muslimischen Gebetsruf, wenn auch
                   nische Reich im Norden. Der erste bekannte  in einem negativen Kontext im Dienste der
                      Christ, der sich mit dem Islam in seinem  Kreuzzugspropaganda. Durch die Jahrhun-
                     Buch Pege Gnoseos, „Quelle der Erkennt-  derte tauchten Dichter auf, die sich mit dem
                    nis“ auseinandersetzte, war Johannes von  Islam befassten, auch im positiven Zusam-
                   Damaskus/Yahya ed-Dimaschqî (650-754). Er  menhang. Neben Goethe und Rückert ist
                     hatte seine Informationen nicht aus erster  Rainer Maria Rilke (1875 – 1926) mit seinem
                    Hand, verwechselte Koran und Hadise des  Gedicht „Mohammeds Berufung“ einer der
                      Öfteren und sah in dem Propheten einen  wichtigen Dichter in Deutschland, die sich
                    häretischen Christen. Diese Vorstellung hat  zum Islam äußern. Je mehr Kontakte zu den
                     sich in der Kirche verfestigt und es wurde  Muslimen aufgenommen und je mehr Reisen
                      immer wieder auf sie Bezug genommen.  in islamische Länder unternommen werden,
                    Auch Luther (1483 – 1546) trug dem negati-  umso mehr kann man Vorurteile vermeiden
                  ven Islambild bei, indem er gegen die Türken  und zu gegenseitiger Verständigung beitra-
                    als die Vertreter der Muslime mehrere Ab-  gen.
                    handlungen schrieb. Noch heute leidet das
                  Image des Islam und des Propheten Muham-
                     med unter den Beschreibungen Johannes
                                           von Damaskus.

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